Eine Zusammenfassung von Jochen Stankewitz und Axel Pfeiffer

Die Fachmesse Chor.com ist immer wieder Anziehungspunkt für Chorleitende und Chorverrückte. Konzerte, Talkrunden, Vorträge, Masterclass, Ausstellung und das Netzwerken untereinander lassen Hannover vier Tage lang zum Mittelpunkt der deutschsprachigen Chorszene und darüber hinaus werden. Herzstück der Veranstaltung aber sind die vielen Workshopangebote. Aus hessischer Sicht präsentierten drei Chorexperten Neuerscheinungen und gaben auch einen Überblick über neue Entwicklungen in der Chorwelt.

UMD Jan Schumacher stellte sein neues Chorleitungsbuch „Was macht gute Chorleitung aus“ im Carus-Verlag vor. Auch gab er einen Überblick über das Crossover-Repertoire des Verlages, also Werke die mehrere Musikstile miteinander zu vereinen suchen. Außerdem gab er Einblicke in eine Neuerscheinung für gemischten Chor „Choral Music Composed by Women“ in Zusammenarbeit mit dem DCV und dem Archiv Frau und Musik Frankfurt.

Chorcom2„Un poquito cantas“ ist der Titel des neuen dreistimmigen Chorbuchs bei Edition Peters herausgegeben von Jochen Stankewitz. Kostproben der 43 zum größten Teil neu arrangierten Folksongs aus aller Welt für Sopran, Alt und Männerstimme konnte man in einer Readingsession singend erleben. Eine zweite Readingsession „Keine Angst vor fremden Sprachen“ gab einen Überblick über das fremdsprachige Chorrepertoire beim Verlag und Tipps für deren Aufführung.

Am fleißigsten war Musikausschussmitglied Tristan Meister mit fünf Veranstaltungen. Neben Hintergrundinformationen über Chorleitungshonorare, einem Wettbewerb des Schwäbischen Chorverbands für Komponistinnen und einem Ausflug auf die britische Insel mit „Found in Translation“ befasste er sich in zwei Readingsessions mit zeitgenössischer Chormusik. Eine davon möchten wir mit einem kleinen Erfahrungsbericht des langjährigen Musikausschussmitglied Axel Pfeiffer vorstellen.

Insgesamt war es wieder vier inspirierende Tage mit tollen Konzerten, netten Begegnungen und vor allem viel Input für die Chorarbeit.

Jochen Stankewitz

 

 

„Wie Avantgarde darf Neue Chormusik sein?“

 

Unter dem Titel „Wie Avantgarde darf Neue Chormusik sein?“ in Zusammenarbeit mit Edition Peters hatte es sich Tristan Meister zur Aufgabe gemacht, zumeist unbekannte zeitgenössische Werke vorzustellen.

Dabei war es ihm ein Anliegen, den Teilnehmenden auch eine Einschätzung zum Anspruch einer möglichen Erarbeitung des jeweiligen Titels zu vermitteln. Ein erstes eigenes Gefühl konnte jeweils durch das Ansingen einzelner Passagen gewonnen werden.

Zudem hatte er passende Aufnahmen ausgewählt, die einen guten Eindruck von dem jeweiligen Stück boten.

Zu Beginn des Workshops stand „FOUR²“ von John Cage. Dabei konnte Tristan Meister aufzeigen, dass auch komplex klingende Stücke von der Umsetzung her gar nicht besonders anspruchsvoll sein müssen.

Zudem hob er hervor, dass zwar die in den einzelnen Stimmen zu singenden Töne und Vokale vom Komponisten vorgegeben sind, deren Beginn und Ende aber mit unterschiedlich langen Zeitfenstern, in denen die Töne irgendwann erklingen sollen, festgelegt sind. Damit gleicht keine Aufführung dieses Stückes einer anderen, auch wenn immer dieselben Töne erklingen

Mit „Child of Heaven“ der namhaften englischen Komponistin Roxanna Panufnik wurde ein Stück vorgestellt, das ganz eigene Skalen nutzt, um eine bestimmte textbezogene Atmosphäre entstehen zu lassen.
Die „Luther-Madrigals“ des ostdeutschen Komponisten Bernd Franke, uraufgeführt von den King‘s Singers“, erwiesen sich als äußerst anspruchsvolle und vielfältige Kompositionen. Es wird dabei gesungen, geflüstert, gesprochen, agiert und diskutiert. Der Anspruch der sieben Sätze muss als insgesamt sehr hoch bezeichnet werden.
Ein ganz besonders eindrucksvolles Stück war „Never to forget“ des britischen Komponisten Howard Goodall, dass allen Beschäftigten im britischen Gesundheitswesen gewidmet ist, die während der Covid-19-Pandemie ihr Leben verloren haben. Der Text des Stückes besteht überwiegend aus den Namen dieser Verstorbenen.
Tristan Meister verstand es sehr gut, die Besonderheiten der von ihm vorgestellten Stücke aufzuzeigen und den Anwesenden Einblicke zu den Ideen ihrer Entstehung zu vermitteln.
Die im Workshoptitel genannte Frage, wie Avantgarde Neue Chormusik sein darf, blieb aber letzten Endes unbeantwortet. Alles in allem aber ein sehr spannender und Horizonte erweiternder Workshop.

Axel Pfeiffer